Venture Capital klingt nach Turbo. Im Gesundheitswesen ist der Weg jedoch länger, regulierter und riskanter – und genau deshalb passt das klassische VC‑Modell nicht für jedes Team, jedes Produkt und jede Phase. Wer Finanzierung als Strategiebaustein statt als Selbstzweck versteht, wählt Kapital, das zum Regulierungsrhythmus, zu Vertriebszyklen und zur Evidenzarbeit passt.
„Wachstum ist keine Frage des Tempos – sondern der Richtung und des richtigen Kapitals.“ — Michael Scheidel
Worum es wirklich geht
VC finanziert Blitzskalierung mit Exit‑Logik. Das kann bei Plattform‑ oder Datenmodellen funktionieren, deren Time‑to‑Market kurz ist und die sich global replizieren lassen. Im Healthcare‑Alltag sehen wir jedoch häufig das Gegenteil: lange Vertriebszyklen (Kassen/Träger/B2G), Zulassungen (MDR, klinische Evidenz), Integrationen in bestehende IT‑Landschaften. All das frisst Zeit – und Zeit ist der natürliche Feind des klassischen VC‑Clockspeed. Die empirische Perspektive bestätigt den Selektionsdruck: Nach dem Pandemie‑Hype hat sich Digital‑Health‑Funding normalisiert; 2024 lagen die US‑Volumina bei 10,1 Mrd. US‑$ und H1/2025 bei 6,4 Mrd. US‑$ – stabil, aber fokussierter, mit starkem AI‑Übergewicht (Rock Health, Year‑End 2024 & H1 2025). VCs selbst gewichten Team/Deal‑Access/Value‑Add hoch – und erwarten klare, messbare Pfade zur Wertschöpfung (Harvard Business Review: How Venture Capitalists Make Decisions). Für reifere Healthcare‑Assets verschiebt sich Kapital ohnehin Richtung operativer Value‑Creation statt Story‑Prämien (Bain: Global Healthcare Private Equity Report 2025) und fokussierter Health‑Services‑Deals (PwC: Global M&A trends in health industries Mid‑Year 2025).
„Kapital folgt Klarheit – nicht Schlagworten.“
McKinsey empfiehlt, die Equity Story explizit auf langfristige Investoren zuzuschneiden: Treiber, Meilensteine, Kennzahlen, Evidenz. (McKinsey: The equity story you need for the long‑term investors you want)
Alternativen zum klassischen VC – und wofür sie taugen
Finanzierungsweg | Geeignet für … | Vorteile |
---|---|---|
Strategische Investoren (CVC/Branchenpartner) | B2B‑Modelle mit Anschlussfähigkeit (Vertrieb, Integration, Datenkooperation) | Synergien, schneller Marktzugang, Co‑Entwicklung, oft längerer Atem |
Family Offices | langfristige Skalierung, Betreiber‑/Service‑Modelle mit moderatem Tempo | Stabilität, wertebasiert, governance‑fähig, kein Exit‑Zwang |
Business Angels | Frühphase mit Coaching‑Bedarf | Know‑how, Netzwerk, flexible Tickets |
Public Funding/Förderprogramme | Evidenzaufbau, Forschung, digitale Infrastruktur | nicht verwässernd, kombinierbar, politisch gewollt |
Private Equity (Growth/LBO) | etablierte Umsätze/EBIT, Buy‑&‑Build, Plattformlogik | Struktur, Integrations‑Kompetenz, Skalierung über Zukäufe |
Kritische Frage: Wer profitiert wirklich von welchem Kapital – Produkt, Patient:innen, Personal und Investor? Wenn die Antwort einseitig ist, stimmt der Fit nicht.
Wann passt VC – und wann nicht?
VC passt | VC passt nicht | |
---|---|---|
Geschäftsmodell | hoch skalierbar (Software/Plattform/Data‑Netzwerke) | beratungs‑/implementierungsintensiv, serviceschwer |
Vertriebszyklen | < 6–12 Monate, self‑serve/Partner‑Go‑to‑Market | > 12 Monate, B2G/Kassen/Träger |
Regulatorik/Evidenz | gering/mittel, keine langwierigen Zulassungen | MDR/klinische Evidenz nötig, lange Piloten |
Zielbild | globaler Markt, Exit‑Orientierung klar | Betreiberlogik, regionale Dichte, nachhaltige Haltedauer |
Praxisnotiz: Kombinationspfade sind legitim: z. B. Seed (Angel + Förderung) → Strategischer Minor für Marktzugang → später PE‑Growth für Buy‑&‑Build. Entscheidend ist der Takt – jede Stufe muss messbar liefern.
Mini‑Case (anonymisiert)
Ein Digital‑Care‑Startup holte früh VC – die Pipeline wuchs, die Organisation nicht: Vertriebszyklen > 12 Monate, MDR‑Nachweise offen, DSO stiegen. Kurswechsel: Strategischer Minderheitsinvestor mit Zugang zu Trägern, Co‑Entwicklung und Abrechnungskompetenz. In 18 Monaten: Zulassung abgeschlossen, 3 klinische Piloten, DSO 66→48 Tage, zwei regionale Add‑ons via Partnerschaft. Lektion: Fit > Volumen – Kapital verstärkt, was vorhanden ist.
Was wir Gründer:innen und Betreiber:innen raten (konkret)
Equity Story schärfen: Treiber → Meilensteine → KPIs → Cash. (McKinsey‑Framework s. o.)
Finanzierungs‑Matrix bauen: Phase × Modell × Vertriebszyklus × Regulatorik → zulässige Kapitalquellen.
Stakeholder‑Design: Governance & Informationsrechte früh klären; Board nicht überfrachten.
Evidenz priorisieren: Proof‑Points vor Marketing – erst Outcome/Kostenwirkung, dann Scale (HBR: VCs gewichten Team/Evidenz).
Deal‑Umfeld lesen: PE/Strategen 2025 suchen Value‑Creation‑Pfad; Story‑Prämien sind out (Bain, PwC).
Fazit. Nicht jedes Healthcare‑Vorhaben braucht VC – aber jedes braucht eine Kapitalstrategie. Wer Timing, Fit und Evidenz sauber führt, bleibt handlungsfähig und verhandelt bessere Konditionen. Wir unterstützen von der Kapitalarchitektur bis zur Ansprache der passenden Partner.