Führung im Gesundheitswesen war früher vor allem Verwaltung: klare Hierarchien, Befehlsketten, Kontrolle. Doch diese Zeiten sind vorbei. Digitalisierung, Fachkräftemangel, steigende Patientenerwartungen und ESG-Anforderungen haben das Spielfeld verändert. Führungskräfte sind nicht mehr nur Verwalter, sie sind Kulturstifter, Mutmacher und Brückenbauer.
„Führungskräfte im Pflege- und Gesundheitssektor sind heute Kulturstifter, Mutmacher und Brückenbauer – nicht nur Manager.“
— Michael Scheidel
Warum alte Führungsmodelle nicht mehr funktionieren
McKinsey schätzt, dass rund 70 % aller Veränderungsprojekte im Gesundheitswesen ihre Ziele verfehlen – oft nicht wegen der Strategie, sondern wegen mangelnder Umsetzung und fehlender Akzeptanz im Team (McKinsey – The State of Healthcare Transformation). Klassische Hierarchien stoßen an Grenzen, wenn digitale Transformation, komplexe Stakeholder-Ansprüche und Fachkräftemangel gleichzeitig auf Führungskräfte einprasseln.
Deloitte ergänzt: Der „Strategy-to-Execution-Gap“ ist im Healthcare-Sektor besonders groß. Strategien existieren, aber es fehlen Routinen und Mechanismen, die Visionen in den Alltag übersetzen. Führung ist damit nicht mehr Verwaltung, sondern Transformation.
Drei Trends, die Leadership neu definieren
Vom Chef zum Coach
Mitarbeitende erwarten Beteiligung und Sinn – gerade die jüngere Generation. Harvard Business Review betont: Leadership heißt heute, Potenziale freizusetzen statt Anweisungen zu geben (Harvard Business Review – The Leader as Coach). Teams wollen Verantwortung teilen, Ideen einbringen und Entwicklungschancen sehen. Wer das nicht ermöglicht, verliert Fachkräfte schneller als durch Gehaltsthemen.ESG wird Führungsaufgabe
Nachhaltigkeit, Diversity und soziale Verantwortung sind nicht länger Randthemen. PwC weist darauf hin, dass Investoren gezielt auf ESG-Standards achten – und Mitarbeitende dieselben Werte einfordern (PwC – ESG: The Future of Leadership). Führungskräfte, die ESG nur als Compliance betrachten, verschenken kulturelles Kapital und verpassen Chancen zur Differenzierung.Digitalisierung fordert Leadership auf Augenhöhe
Neue Technologien sind kein Selbstzweck. Sie helfen, knappe Ressourcen besser einzusetzen, stoßen aber auf Widerstand, wenn Ängste und Unsicherheit ignoriert werden. MIT Sloan zeigt: Erfolgreiche digitale Transformation basiert auf klarer Kommunikation, Training und der Fähigkeit, Mitarbeitende aktiv mitzunehmen (MIT Sloan Management Review – The New Leadership Playbook for the Digital Age). Wer nur „top-down“ entscheidet, erntet Blockaden.
Mini-Case: Kulturwandel im Pflegedienst
Ein ambulanter Dienst im Süden Deutschlands hatte 2021 mit Abwanderung von Fachkräften und hohem Krankenstand zu kämpfen. Statt ausschließlich über Lohnerhöhungen nachzudenken, entschied sich die Führung für einen Kulturwandel:
Aufbau eines Innovationsteams mit freiwilligen Mitarbeitenden,
Einführung neuer Dienstplanmodelle,
regelmäßige Feedback-Sessions mit der Geschäftsführung.
Nach 18 Monaten sank die Fluktuation um 30 %. Die Lehre: Beteiligung und Mitgestaltung wirken stärker als reine monetäre Anreize.
Selbst-Check: Führst du schon modern?
Hörst du regelmäßig dein Team – nicht nur einmal im Jahr?
Weißt du, was deine Mitarbeitenden wirklich brauchen?
Lebst du Werte sichtbar vor – auch in Stresssituationen?
Siehst du ESG, Digitalisierung und Innovation als Führungsaufgabe oder nur als Projekt der Fachabteilungen?
„Gute Führung ist, wenn dein Team dich nicht nur respektiert – sondern dir vertraut, auch wenn’s ungemütlich wird.“
Typische Stolperfallen im modernen Leadership
Alte Denkmuster: „Das haben wir schon immer so gemacht.“
Symbolpolitik: ESG und Digitalisierung nur auf Folien, nicht im Alltag.
Fehlende Kommunikation: Schweigen erzeugt Gerüchte und Widerstand.
Ignorierte Kultur: Prozesse ohne kulturelle Basis bleiben Papiertiger.
Gerade in Pflegeunternehmen ist Kultur der entscheidende Hebel: Studien zeigen, dass kulturelle Veränderungen bis zu doppelt so lange dauern wie Prozessanpassungen – und oft entscheidender für nachhaltigen Erfolg sind.
Fazit
Leadership im Gesundheitswesen bedeutet heute weit mehr als Zahlen kontrollieren. Es geht um Haltung, Kultur und die Fähigkeit, Wandel aktiv zu gestalten. Erfolgreiche Führungskräfte sind nicht nur Manager, sondern Kulturstifter, Mutmacher und Brückenbauer.
Wer diese Rolle annimmt, bleibt attraktiv – für Fachkräfte, Partner und Investoren. Wer sie ignoriert, riskiert nicht nur wirtschaftliche Verluste, sondern auch den Vertrauensverlust bei Mitarbeitenden und Patienten.