Im Gesundheits- und Pflegebereich liegt auf dem Papier riesiges Potenzial: Emissionen senken, faire Arbeit, gute Governance – all das klingt wichtig und richtig.
Aber die Realität ist oft komplizierter: Braucht die Pflege ESG so dringend wie andere Branchen? Kann sie es sich überhaupt leisten? Und gibt es nicht größere Baustellen?
Warum ESG kein Nice-to-have mehr ist – aber nicht alles löst
„Impact Investing ist keine Kür mehr, sondern Pflicht für nachhaltiges Wachstum.“
— Michael Scheidel
Investoren fragen heute zu Recht:
Wie senken Sie Emissionen?
Was tun Sie für faire Arbeitsbedingungen?
Wie transparent arbeiten Sie intern?
Wer darauf keine Antwort hat, wird langfristig Schwierigkeiten haben, Kapital, Partner und Talente zu gewinnen.
Aber: Gerade die Pflege steht oft vor ganz anderen, drängenderen Fragen – allen voran der Fachkräftemangel, enorme Bürokratie und oft knappe Margen.
Für viele Betriebe ist ESG darum weniger eine strategische Kür als ein zusätzlicher Kraftakt.
Die drei ESG-Säulen – und was sie wirklich bedeuten

E – Environment (Umwelt)
Natürlich ist es sinnvoll, den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern: weniger Energie, weniger Abfall.
Beispiel: Ein Pflegeheim, das Solarstrom nutzt, spart langfristig Geld.
Aber: Wer finanziert die Umstellung? Können kleine Anbieter so investieren – oder geht das nur mit Fördermitteln und kluger Planung?
S – Social (Soziales)
Faire Löhne, gute Arbeitszeiten, Weiterbildung: all das macht Betriebe attraktiver.
Nur: Solange Personal fehlt, Dienstpläne eng getaktet sind und Budgets nicht steigen, bleibt „Social“ oft ein Ideal.
G – Governance (Unternehmensführung)
Transparente Strukturen sind Pflicht – gerade in einem regulierten Markt wie der Pflege.
Aber mehr interne Richtlinien bringen nichts, wenn sie nur zusätzliche Bürokratie schaffen.
Checkliste: Realistisch, was machbar ist
✅ Lieber kleine, erreichbare Kennzahlen (z. B. Abfallmengen, Energie pro Bewohner)
✅ Berichte nur, was geprüft werden kann – keine PR-Versprechen.
✅ ESG in die Strategie einbinden, aber nicht alles andere dafür liegenlassen.
Tabelle: Nachhaltigkeit spart Geld – manchmal
Jahr | Ohne ESG-Strategie | Mit ESG-Strategie |
---|---|---|
Jahr 1 | € 1.000.000 Betriebskosten | € 1.100.000 Betriebskosten |
Jahr 3 | € 3.500.000 | € 2.800.000 |
Jahr 5 | € 6.000.000 | € 4.000.000 |
Klar: Wer in Energiesparmaßnahmen oder E-Fahrzeuge investiert, spart oft ab Jahr drei – aber die Vorfinanzierung ist die Hürde.
Praxisbeispiel
Eine Einrichtung in Bayern hat 2023 ihre Lieferanten umgestellt: Weg von billigen Einwegartikeln, hin zu regionalen Kreislaufprodukten.
Ergebnis:
15 % weniger Abfall
weniger Emissionen
bessere Bewertung bei Investoren
Aber auch hier: Ohne Beratung, Rücklagen und viel Engagement wäre dieser Schritt kaum möglich gewesen.
Fazit: Braucht die Pflege ESG?
Ja – langfristig schon. Denn nachhaltiges Wirtschaften kann Kosten senken, Mitarbeiter binden und Vertrauen sichern.
Aber: Die Branche hat viele Baustellen, die mindestens so wichtig sind: Fachkräfte, Bürokratieabbau, faire Refinanzierung.
Wer ESG wirklich umsetzt, muss darum auch fordern können: Förderung, realistische Ziele, keine Bürokratiemonster.
Nur dann wird Nachhaltigkeit nicht zur Belastung – sondern Teil einer fairen, zukunftsfähigen Pflege.