Family Offices sind im Gesundheitssektor längst mehr als stille Mitspieler. Sie investieren patientenorientiert, häufig unternehmerisch nah am operativen Geschehen – und genau das verschiebt die Logik vieler Finanzierungsrunden. Wer Family Offices ernst nimmt, plant anders: mit längeren Horizonten, weniger Label-Denken und mehr Fokus auf Substanz.
Warum Family Offices im Healthcare-Sektor anders ticken
Family Offices agieren nicht wie klassische Fonds mit starren Laufzeiten. Sie können Kapital über Zyklen hinweg halten, ohne Exit-Druck. Das schafft Spielräume für F&E, Qualität und Integration – gerade in regulierten Märkten wie Pflege, Biotech oder ambulanten Netzen. McKinsey beschreibt den Trend steigender Allokationen in Private Markets insgesamt; die „geduldige“ Kapitalbasis wird wichtiger, wenn Zinsen hoch bleiben und Bewertungen differenzieren (McKinsey Global Private Markets Report 2025).
„Geduldiges Kapital ändert die Spielregeln – vom Quartalsdenken hin zu belastbaren Marktpositionen.“
„Family Offices bringen oft einen Vorteil mit, den klassische Investoren nicht haben: Sie können generationsübergreifend denken. Das bedeutet, dass sie nicht nur Rendite im Blick haben, sondern auch, welche gesellschaftlichen Spuren sie hinterlassen. Gerade im Healthcare-Bereich eröffnet das eine Dimension, die weit über reine Finanzkennzahlen hinausgeht.“
– Howard Marks, Gründer von Oaktree Capital
Kapital mit Haltung: Motive und Mandate
Viele Family Offices folgen Purpose-getriebenen Mandaten: Versorgung verbessern, Forschung beschleunigen, Nachfolge sichern. Das erklärt, warum sie in Healthcare überdurchschnittlich präsent sind. PwC zeigt, dass Family Offices signifikant an Private-Equity- und M&A-Aktivitäten partizipieren; sie bevorzugen kleinere bis mittlere Ticketgrößen und Club-Deals – zugleich nimmt die Bereitschaft für größere Transaktionen wieder zu (PwC Global Family Office Deals Study 2025; ergänzend: PwC Family Office Deals Study Überblick).
„Für viele Unternehmerfamilien ist Healthcare Impact – aber mit Cashflow und Real Assets dahinter.“
Realbeispiele aus Europa: Von Zähnen bis mRNA
Jacobs Holding (CH) – Pan-europäische Dentalplattform: Die Jacobs-Holding erwarb 2017 die skandinavische Colosseum Smile Group von IK Partners und baute eine europaweite Dentalplattform auf – ein klassischer Family-Office-Roll-up mit Fokus auf Qualität und Skaleneffekten (IK Partners Pressemitteilung; Kontextanalyse: KPMG „Dental Chain Opportunity II“).
Dievini Hopp (DE) – Langfristige Biotech-Finanzierung: Dievini investiert seit 2005 in CureVac und hielt zeitweise ~46 % – ein Beispiel für extreme Langfristorientierung in Hochrisiko-F&E (CureVac IR/Unternehmensangaben).
Athos/Strüngmann (DE) – Biotech-Ökosystem rund um BioNTech: Das Single Family Office Athos finanzierte BioNTech früh und hielt über Jahre signifikante Anteile – ein Beleg, wie unternehmernahe, themenfokussierte Familien Kapital in medizinische Durchbrüche lenken (Fortune Hintergrundbericht).
Family Office vs. VC vs. PE – worin sie sich unterscheiden
Kriterium | Family Office | Venture Capital (VC) | Private Equity (PE) |
---|---|---|---|
Zeithorizont | Langfristig, flexible Haltezeiten | Kurz–mittel (Fondszyklen), Exit-Fokus | Mittel (3–7 Jahre), Fondszyklus-gesteuert |
Deal-Typ | Minderheiten + Mehrheiten; Club-Deals | Minderheiten (Seed bis Growth) | Mehrheiten/Control, Buy-outs |
Werthebel | Unternehmernetzwerk, Nachfolge, selektive Roll-ups | Produkt-Markt-Fit, Skalierung, nächste Runde | Operative Exzellenz, Leverage, Buy-and-Build |
Governance | Pragmat. Reporting, kurze Wege | Board-getrieben, milestone-basiert | Strikte KPIs, Covenants, 100‑Tage-Pläne |
Risikoprofil | Themen-/Impact-getrieben, downside-sensibel | Hochrisiko Early Stage | Risiko durch Verschuldung/Integration |
Kommunikation | Weniger PR, mehr Direktzugang | Storytelling für Anschlussfinanzierung | Deal- und KPI-getriebene Kommunikation |
Drei typische Einsatzszenarien im Healthcare
Buy-and-Build in fragmentierten Märkten (z. B. Zahnmedizin, Radiologie, Augenheilkunde): Familienkapital erlaubt saubere Integration ohne Quartalsdruck – entscheidend für Qualität und Employer Branding. Referenz: Jacobs/Colosseum (s. o.).
Deep-Tech/ Biotech mit langen Entwicklungsphasen: Hohe Volatilität, aber outsized Impact. Beispiele: Dievini–CureVac; Athos–BioNTech (CureVac; Fortune).
Spezial-Services und Versorgungsketten: Ambulante Netze, Telehealth, Homecare – dort, wo regionale Anker und Versorgungsqualität über reines Hypergrowth gestellt werden. McKinsey sieht hier selektive Chancen bei resilienten Cashflows und klaren Pfaden zu operativer Exzellenz (McKinsey 2025).
Was Gründer & Betreiber vor der Ansprache klären sollten
Mandat & Motivation: Family Office mit thematischem Fit (Versorgung, Forschung, Medical Devices) und klaren Governance-Präferenzen ansprechen.
Use of Proceeds: Kapitalallokation präzise: Roll-up-Pipeline, FTE/Recruiting, Capex, IT/Compliance.
Proofs statt Pitches: Patient Journeys, Outcomes, QoE, Regulatorik-Reife – substanziell belegen.
Partnermodell: Minderheit vs. Mehrheit, Put/Call, Earn-outs, Re-IPO-/Re-Exit-Optionen.
Kommunikation: Weniger Glanzfolie, mehr belastbare Metriken (Unit Economics, Retention, Qualitätsindikatoren, Mitarbeiterbindung).
Spannungsfelder – wo es knirscht
Impact vs. Rendite: Ist der Impact operativ messbar (Qualität, Zugang, Outcomes) – oder bleibt er Narrativ?
Tempo vs. Integration: Roll-ups liefern nur dann Multiple-Expansion, wenn Employer Branding, IT, Compliance und Kultur wirklich skalieren (vgl. KPMG-Analyse zu Dentalplattformen: KPMG).
Transparenz vs. Diskretion: Family Offices arbeiten gern leise; für Regulatoren und Mitinvestoren braucht es dennoch institutionelle Standards (Datenraum, Policies, Reporting).
Medien- und Marktperspektive
Der Zufluss von Family-Office-Geldern in Venture und Growth wird auch medial diskutiert – nicht zuletzt, weil persönliche Motive (Gesundheit in der Familie, Stiftungszwecke) eine Rolle spielen. Die Financial Times beschreibt, warum gerade Biotech als „ultimate impact“ für Family Offices gilt – trotz hoher Risiken (FT).
Kurze Checkliste: „Family-Office-Readiness“
Governance schlank, aber sauber: Policies, Clinical Governance, ESG.
Zahlen belastbar: QoE, Cash Conversion, Payor-Mix, Qualitätskennzahlen.
Deal-Story konkret: Pipeline, Integrationsplan, Meilensteine, Exit-Optionen.
Alignment regeln: Mit-Gründer-Beteiligung, Incentives, Unabhängigkeit medizinischer Leitung.
Fazit
Family Offices sind im Healthcare-Sektor keine Randerscheinung mehr, sondern strategische Langfristpartner. Wer sie adressiert, sollte weniger in Runden und mehr in Ergebnissen denken – Qualität, Integration, Outcomes. Mit der richtigen Vorbereitung werden Family Offices zu Mitunternehmern – und nicht nur zu Geldgebern.